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11. Symposium: Die liberale Demokratie in der Krise. Ein Fragezeichen bleibt fraglich

„Wem gehört die Welt?“ u.a. mit diesem Song stimmte unsere Europasonggruppe unter der Leitung von Dr. Hanne Grünsteudel in das diesjährige Symposium am 24. und 25. Oktober 2025 ein. Das Symposium fand wie immer in Zusammenarbeit mit der Stadt Rödermark und mit großzügiger Unterstützung der Sparkasse Dieburg statt und lockte viele Interessierte in die Rödermärker Kulturhalle.

„Die liberale Demokratie in der Krise“ ist dieses Jahr das Oberthema, das Stadträtin Andrea Schülner in ihrer Begrüßungsrede als besonders „dringlich“ bezeichnet und das in ihren Augen mit „Kopf“, aber auch mit „Herz“ angegangen werden müsse. Auch Schulleiterin Christine Döbert und Oberstufenleiterin Barbara Kühnl schließen sich in ihrer gemeinsamen Rede dieser Einschätzung an: Die „Weltlage“ sei schwierig. Demokratie sei kein Zustand, sondern eine Aufgabe. 

Markus Euler von der Sparkasse Dieburg, der zuvor die Veranstaltung als „einzigartig in seinem Geschäftsgebiet“ lobte, vermisst im Titel ein „Fragezeichen“. Die beiden Tage werden den Zuhörenden noch zeigen, wie angebracht dieses tatsächlich ist. 

Den Auftakt macht Frau Prof. Dr. Nicole Deitelhoff vom PRIF in Frankfurt (Peace Research Institute Frankfurt - Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung) mit ihrem Vortrag „Zusammenhalt und Konflikt“. Darin thematisiert sie vor allen Dingen das Erstarken extremer Positionen am linken und am rechten Rand der Gesellschaft, die die liberale Mitte destabilisierten. Zwei Leitfragen stellt sie ihrem Vortrag voran: 1. Ist die Gesellschaft gespalten? 2. Was können Politik und Gesellschaft tun, die Spaltung umzukehren? Zur Verdeutlichung der gesellschaftlichen Situation nimmt sie einprägsame Bilder: In mittlerweile verbal verrohten Diskursen werde sich verhalten wie „Höcker eines Trampeltieres“: Es polarisierten sich zwei Höcker nebeneinander, dabei sei die Gesellschaft eher ein einzelner großer Höcker wie beim „Dromedar“: Es existiere ein gemeinsames Ganzes, allerdings mit stärker werdenen Rändern. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Gesellschaft es nach „zwei Jahrzehnten der Krise“ verlernt habe, einen wahren Diskurs zu führen, der wesentliches Merkmal der Demokratie sei. Man müsse das Streiten wieder erlernen, um in einem fruchtbaren Austausch verschiedener Positionen zu kommen. Streit sei wichtig für das Zusammenleben in der Demokratie, müsse sinnvoll eingesetzt und letztlich geschützt werden. 

Dr. Félix Krawatzek vom ZOiS Berlin (Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien) führt uns mit seinem Vortrag „Ist die Demokratie erst ruiniert…“ in die gespaltene Gesellschaft von Polen ein. In seinem Vortrag geht es um den Mechanismus, der zum Verfall der polnischen Demokratie geführt habe und die Schwierigkeiten, diesen umzukehren. Anhand des sozialwissenschaftlichen Konzepts der „Pfadabhängigkeit“, verdeutlicht am „Pólya-Urnenmodell“ zeigt er den Verlauf des Rechtsrucks in der polnischen Gesellschaft nach einer Zäsur im Jahre 2015, als Andrzej Duda, der vor seinem Amt der nationalkonservativen PiS angehört hatte, die Präsidentschaftswahlen gewann. In den darauffolgenden Parlamentswahlen bekam die PiS, die sich durch demokratie- und europafeindliche Slogans auszeichnet, die absolute Mehrheit und konnte im Parlament allein regieren. Die Demokratie sei von da an „überraschend schnell“ dem Ruin geweiht gewesen: Die Gewaltenteilung wurde eingeschränkt, die Medienlandschaft zensiert, das Bildungswesen und die Erinnerungskultur des Landes zugunsten rechtskonservativer Inhalte reformiert. Anhand der Wahlergebnisse der Präsidentschaftswahl von 2025 zeigt Krawatzek die Spaltung der polnischen Gesellschaft auf: „Jung und Alt“ wählen verschiedene Lager, „Männlich und Weiblich“ prinzipiell auch. Aktuell stehen in Polen mit dem 2025 gewähltem Präsidenten Nawrocki (parteilos, vormals PiS) und Ministerpräsident Tusk (von der liberalen und europafreundlichen PO) zwei gegensätzliche Politiker an der Spitze des Landes. Krawatzek sieht in der „Pfadabhängigkeit“ auch eine Chance: Tusk bleibe regulär bis 2027 im Amt. Bis dahin sei noch etwas Zeit, den Trend umzukehren. 

Am Samstag geht es vorrangig um rechtsnationale Kräfte und die Rolle des Rechtsstaats in Europa. Zuvor lässt uns jedoch Prof. Dr. Johannes Völz von der Goethe-Universität Frankfurt über den Atlantischen Ozean blicken, wo US-Präsident Donald Trump demokratische Strukturen u.a. durch eine „parasoziale Medienästhetik“ subtil aushebelt. Er zeigt uns Mechanismen der „Informalisierung“ vor allen in der Medienlandschaft, die der vor seinem Tod „Trump-nahe“ Moderator Rush Limbaugh bereits in den 90er Jahren praktiziert habe. Trump habe in seinen medialen Auftritten laut Völz die „Inner-Circle-Methode“ Limbaughs übernommen, die das Gegenüber in eine informelle Vertrautheit bringe und dadurch beeinflusse. Zudem seien etliche Mitglieder und Funktionäre der Trump-Regierung zuvor Nachrichtensprecher, Talkradio- oder Podcastmoderatoren gewesen. Das Weiße Haus baue einen durch die Regierung gesteuerten „Staatsfunk“ auf, der sich vermehrt auch an jüngere Wähler richte. In einer anschließenden Fragerunde mit reger Beteiligung äußern die jungen Zuhörer vor allem Irritation über das in ihren Augen massiv unseriöse Auftreten des US-Präsidenten in Medienformaten. Völz stellt fest: Trump habe kein Interesse an Seriosität, er stelle sich als „Outsider“ dar- zuungunsten der Demokratie leider erfolgreich. 

In dem Vortrag „Exekutiver Ungehorsam und die Krise des Rechtsstaats in der Asylpolitik“ kehren wir mit Prof. Dr. Dr. Maximilian Pichl gedanklich ins eigene Land zurück. Dazu stellt dieser zunächst die gegenwärtige politische Situation in Deutschland diesbezüglich dar: Es geschehe eine „Grenzabschottung und Brutalisierung“ in der Asylpolitik; eine „Entrechtung“ der Asylsuchenden und eine „Normalisierung“ dieser Aspekte in Politik und Gesellschaft. Pichl verdeutlicht, dass der Begriff des „Rechtsstaats“ aktuell missbraucht werde. Der Rechtsstaat binde eigentlich die Exekutive ans Gesetz, dieses werde in der Asylpolitik jedoch missachtet, mit der Begründung, der Handlungsspielraum der Regierung sei zu sehr eingeschränkt, womit sich politische Mehrheiten nicht durchsetzen könnten. Der gegenwärtige „Ungehorsam“ der Exekutive gegen den Rechtsstaat erinnere an die Haltung der Nationalsozialisten, hier zitiert Pichl Carl Schmitt aus dem Jahre 1935. Das Problem sei, dass der heutige Rechtstaat nichts gegen diesen Ungehorsam in der Hand habe, man könne Regierung und Verwaltung nicht zur Umsetzung des geltenden Rechts zwingen. Hier müssten eine „anerkannte Rechtsstaatkultur zwischen den Gewalten“ her und die Option, Rechtsbrüche zu bestrafen, wie z.B. mit Zwangsgeldern oder sogar Haftstrafen. Pichl geht von gegenwärtig falschen Prämissen in der politischen Diskussion aus. Es habe keine „ungeregelte Migration“ gegeben, die man rechtsbrüchig zu regulieren habe. Hierzu zitiert er die Politikwissenschaftlerin Lea Ypi, die in ihrer „Wiener Rede an Europa“ betont, die Migration sei kein durch die Migranten heraufbeschworenes Problem, sondern ein Problem, das in der Krise der liberalen Demokratie liege. 

Dr. Raphael Bossong von der Stiftung Wissenschaft und Politik Berlin rundet die beiden nachdenklich stimmenden Tage mit seinem Vortrag „Rechtsnationale Kräfte und Rechtsstaatlichkeit in Europa“ ab. „Ich will Ihnen nicht den Abend verderben“ leitet er seinen Vortrag ein, aber auch er hat wenig hoffnungsvolle Forschungsergebnisse. Er stellt das „Demokratiedefizit“ der EU dar und geht dabei auf die Situation in Ungarn und Polen ein, sowie auf das allgemeine Wahlverhalten der EU-Bürger und weitere antiliberale Entwicklungen, die immer weiter auf dem Vormarsch seien. Es gebe immer mehr (rechts)populistische Stimmen in den Ländern der EU, die den „Volkswillen“ über rechtsstaatliche Institutionen stellen wollten und den Rechtsstaat damit auszuhebeln bereit seien. Auf der Rechtsstaatlichkeit basiere jedoch die EU. Die Werkzeuge der EU zur Sicherung der Rechtstaatlichkeit seien beschränkt und werden oftmals blockiert. Auf das Jahr 2027 blickt Bossong mit gemischten Gefühlen. Es gebe in vielen Staaten entscheidende Präsidentschaftswahlen, die insgesamt Einfluss auf den „Mehrjährigen Europäischen Finanzrahmen“ und die EU-Erweiterungspläne haben. Bossong habe „kein Patentrezept“ zur Lösung der Krise der liberalen Demokratie, sieht aber den Auftrag sowohl in der Politik als auch beim Einzelnen. Man müsse „widerstandsfähige Rechtsstaatlichkeit und Demokratie leben“: unabhängige Medien nutzen, Wählen gehen, sich politisch engagieren. 

Das Fragezeichen fehlt wohl zu Recht. Aber eine Krise ist kein unveränderlicher Zustand. 

Wir bedanken uns herzlich für diese interessanten, nachdenklich machenden Vorträge bei der Referentin und den Referenten; Frau Stefanie Heinsohn für die Organisation; bei der Europasonggruppe für ihre musikalische Einstimmung in das Symposium und bei der Sparkasse Dieburg für ihre Unterstützung! 




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