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„Vergeben ja- vergessen nie“- Holocaust-Gedenkveranstaltung thematisiert Antiziganismus

Erstellt von Lem |

Im Rahmen der jährlichen Holocaust-Gedenkveranstaltung, die die Nell-Breuning-Schule traditionell gemeinsam mit der Stadt Rödermark veranstaltet, waren in diesem Jahr auf Einladung unseres Geschichtslehrers Andreas Zies der stellvertretende Geschäftsführer des „Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma“, Herr Rinaldo Strauß, und seine Mitarbeiterin Katharina Rhein „virtuell“ zu Gast.

Im Rahmen einer „Zoom-Konferenz“ referierte Herr Strauß, selbst Angehöriger dieser ethnischen Minderheit, vor mehreren Oberstufenklassen antiziganistische Tendenzen in der Gesellschaft und ihre historischen Ursachen.

Schulleiterin Christine Döbert betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus heutzutage vor allem dazu diene, Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen und sich Hass und rassistischen Tendenzen entgegenzustellen; jede Ausgrenzung habe immer mit einer Beschwichtigung begonnen „es sei ja nicht so schlimm“, daher müsse man heute besonders wachsam sein. Bürgermeister Jörg Rotter zitierte hierzu Bundespräsident Steinmeier mit den Worten: „Aus der Vergangenheit lernen. Die Zukunft schützen“ und versteht das als Aufgabe besonders der jüngeren Generationen.

Die Sinti und Roma sind die zweitgrößte ethnische Gruppe, die zum Opfer der Nationalsozialisten wurde, jedoch wurde der an ihnen praktizierte Völkermord erst spät anerkannt. Im Vortrag „Wie „Zigeunerbilder“ einen Völkermord möglich machten“ skizzierte Herr Strauß die Geschichte der Sinti und Roma seit der Frühen Neuzeit, die von Vorurteilen, Beleidigungen und sowohl rechtlichen als auch sozialen Ausgrenzungen geprägt war. Den Begriff „Zigeuner“, erläuterte Strauß, benutze er in der „Sprache der Täter“- denn dieser sei eine diskriminierende Fremdbezeichnung durch andere für ein Volk, das sich selbst, wie man wisse, „Sinti und Roma“ nenne. Zigeuner stamme etymologisch aus dem Griechischen und heiße „Die Unberührbaren“- insofern treffe der Begriff auf die Sinti und Roma auch gar nicht zu.

 

Seit jeher gelte diese ethnische Gruppe als „fahrendes Volk“, das arbeitsscheu seine Zeit mit „Geigenspielen“ und „Lagern in der Natur“ verbringe und dazu seinen Lebensunterhalt mit Diebstahl und Betrügereien verdiene. Dieses Bild sei aber von Beginn an ausschließlich aus Vorurteilen entstanden, denn die Sinti und Roma seien oft auf der Flucht und dadurch nicht sesshaft gewesen; zudem verstärken historische stereotype Gemälde und Volksliedzeilen („Lustig ist das Zigeunerleben…“) dieses falsche Bild.

Die soziale und rechtliche Ausgrenzung setzte sich bis ins 20. Jahrhundert fort- noch in den Zwanziger Jahren gab es sog. „Zigeunergesetze“ in einigen deutschen Ländern, die ihre Fortsetzung in den „Nürnberger Rassengesetzen“ der Nationalsozialisten von 1935 fanden und mit der Deportation der Sinti und Roma nach Auschwitz und letztlich des Massenmords an ihnen im August 1944 ihren schrecklichen Höhepunkt nahmen.

Obwohl diese Verbrechen bekannt waren, mussten die Überlebenden und ihre Nachkommen für eine Wiedergutmachung und die Anerkennung des an ihrer Ethnie verübten Völkermordes jedoch lange kämpfen- zu verankert waren die Vorurteile gegen sie und die negativen Bilder von ihnen, die die Haltung der Gesellschaft ihnen gegenüber beeinflussten. Die in den Siebzigerjahren entstandene Bürgerrechtsbewegung erreichte schließlich, dass im Jahre 1982 die Völkermordverbrechen  an den Sinti und Roma durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt offiziell   von der Bundesrepublik Deutschland anerkannt wurden.

Die Fragen im anschließenden Gespräch zielten vor allem auf den Alltag der Sinti und Roma ab. Auf die Bemerkung, dass Begriffe wie „Zigeunersoße“ oder „Zigeunerschnitzel“ ja immer noch gängig seien, winkte Strauß nur ab: „Ich wünschte, das wäre unser einziges Problem“. Wichtig sei nicht allein, wie ein Schnitzel benannt werde, sondern vor allen Dingen die Geisteshaltung, die dahinterstecke. In der Öffentlichkeit werden die Sinti und Roma weniger wahrgenommen als z.B. jüdische Verbände, was vor allem daran liege, dass sich die Politik dafür noch stärker einsetzen müsse- z.B. bestehe auch die Forderung, die Geschichte der Sinti und Roma verstärkt in die Lehrpläne aufzunehmen.

Rinaldo Strauß` Eltern überlebten die Vernichtungslager der Nationalsozialisten; anders als seine Großeltern und viele seiner Verwandten. Sein Vater habe immer gesagt: „Vergeben ja- vergessen nie“. Natürlich sei die gegenwärtige deutsche Gesellschaft nicht mehr schuld an den Verbrechen- aber sie trage Verantwortung, dass man diese nie vergesse.

Wir bedanken uns bei Ina Hammel und Katharina Rhein vom „Hessischen Landesverband Deutscher Sinti und Roma“ für das Zustandekommen dieser Veranstaltung und besonders bei Herrn Rinaldo Strauß für den aufschlussreichen Vortrag. Ebenso geht unser Dank an Geschichtslehrer Andreas Zies, der die Veranstaltung organisiert hat.

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